Rechtsgrundlagen der Videoüberwachung 2008

Fachartikel aus PROTECTOR 11/08, S. 18 bis 19

Grenzen des Kameraeinsatzes

Rechtsgrundlagen der Videoüberwachung

Videoüberwachung ist öffentliches Dauerthema. Populärstes Beispiel: die verdeckte Überwachung bei Lidl. Im Mittelpunkt der Diskussion steht derzeit der Entwurf des BKA-Gesetzes „zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus“, wonach Ton- und Videoaufzeichnungen auch in Wohnungen erlaubt sein sollen.

In der juristischen Fachwelt hat eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) Aufsehen erregt, wonach Bestimmungen des hessischen Polizeigesetzes sowie das Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein zur Videoaufzeichnung von Kfz-Kennzeichen gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen. Viele sehen Deutschland bereits auf dem Weg zum Überwachungsstaat. Wie häufig in solchen Diskussionen werden gesetzliche Regelungen gefordert, um die Bürger vor einer unkontrollierten Überwachung zu schützen. Dabei wird übersehen, dass sich sowohl Gesetzgebung als auch Rechtsprechung bereits seit Jahren mit dem Thema befassen und deshalb nicht wenige Regelungen bestehen, die diesen sensiblen Bereich normieren.

Sorgfältige Prüfung

Im Mittelpunkt steht dabei § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der im Jahre 2001 in das Datenschutzrecht aufgenommen wurde und seitdem Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen gewesen ist. Nach dieser Vorschrift ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechtes oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Wenn der Staat oder ein Gewerbetreibender also Videoüberwachung betreiben will, so hat er nicht nur zu prüfen, ob dies das „mildeste Mittel“ zur Wahrnehmung seiner Interessen ist, sondern ob nicht möglicherweise Rechtsgüter der gefilmten Personen in unverhältnismäßiger Weise betroffen sind. Wie eine solche Abwägung stattzufinden hat, hat das Amtsgericht Hamburg kürzlich in Bezug auf die Videoüberwachung einer bundesweit tätigen Kaffeehauskette vorgeführt (Urteil vom 22.04.2008). Danach ist eine Überwachung im Kassen- und Warenbereich nach § 6b BDSG zulässig, weil dort die Gefahr von Diebstählen und damit die Verletzung von Eigentumsrechten des Kaffeehausbetreibers besonders hoch ist. Hingegen ist das Filmen im Sitzbereich, in dem die Gäste beim Verzehr länger verweilen, unzulässig, weil dort in die Persönlichkeitsrechte der Kunden (insbesondere ihre soziale Interaktion) in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen wird.

Öffentlich zugänglich

§ 6b BDSG befasst sich jedoch nur mit Räumlichkeiten, die für den Bürger öffentlich zugänglich sind, wie beispielsweise Kauf- und Warenhäuser, Banken, öffentlicher Straßenraum oder Parkhäuser. Räumlichkeiten, die nur aufgrund besonderer Erlaubnis betreten werden können, wie zum Beispiel Wohnungseigentumsanlagen, Werksgelände, private Wohnungen und Grundstücke oder auch Büros, Werkhallen und Lagerräume, unterfallen nicht dem Regelungsbereich der Vorschrift. Hier ist eine Videoüberwachung nur möglich, wenn die Betroffenen individuell einwilligen oder die Überwachung durch eine „andere Rechtsvorschrift“ erlaubt ist (vgl. § 4 Abs. 1 BDSG). Eine solche andere Vorschrift kann beispielsweise eine Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes darstellen. Danach hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht bei der „Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.“

Fehlende Rechtssicherheit

Diese Regelung greift allerdings nur, wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, was beispielsweise bei Lidl nicht der Fall war. Insofern fehlt in Bezug auf die Videoüberwachung von Büro- und Arbeitsräumen in der Tat eine Regelung, die für alle Beteiligten Rechtssicherheit schafft. Denn die Generalklausel des § 28 Abs. 1, wonach die Überwachung zur Wahrung berechtigter Interessen zulässig ist, wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen, ist zu weit gefasst, um einen wirksamen Schutz zu gewährleisten. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Vorschriften des BDSG nur dann Anwendung finden, wenn der Sachverhalt der Videoüberwachung nicht in anderen Gesetzen spezieller geregelt ist (sogenannte Subsidiarität). Dies betrifft insbesondere die Ordnungsbehörden, denen in den Polizeigesetzen der Länder sowie in der Strafprozessordnung näher beschriebene Befugnisse eingeräumt sind. Dabei ist die Videoüberwachung in der Regel nur erlaubt, wenn diese nach außen hin erkennbar ist. Nur in Ausnahmefällen ist eine verdeckte Überwachung zulässig, etwa wenn es Straftaten von erheblicher Bedeutung zu verhindern oder aufzuklären gilt. Inwieweit die einschlägigen Vorschriften gegen das Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“ verstoßen, entscheidet in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht. Wie bereits erwähnt, ist das anlassunabhängige und flächendeckende Aufzeichnen von Kfz-Kennzeichen vom BVerfG als unzulässig verworfen worden.

Konkretere Regelungen nötig

Inwieweit die flächendeckende Überwachung des öffentlichen Raums wirklich dabei hilft, Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Erfahrungen aus anderen Ländern (zum Beispiel England) zeigen keine signifikante Abnahme der Kriminalität; vielmehr sind die Behörden teilweise nicht mehr in der Lage, die ungeheure Datenflut angemessen auszuwerten. Was die Überwachung von Verkaufsräumen (Kaufhäuser und Supermärkte) angeht, so ist der Trend zur Videoüberwachung hingegen weiter ungebrochen. Dies ist angesichts erheblicher Verluste durch Ladendiebstahl (im Jahre 2007 meldete der deutsche Einzelhandel Inventurdifferenzen von 3,3 Milliarden Euro) nicht verwunderlich. Wer jedoch an öffentlichen Verkaufsflächen Kameras installiert, muss dies gemäß § 6b Abs. 2 BDSG gesondert kenntlich machen. Ansonsten werden die durch Videoaufzeichnungen gewonnenen Beweise von den Gerichten nicht gewürdigt. Denn nach mittlerweile einhelliger Rechtsprechung soll der Ladeninhaber im Prozess keinen Vorteil durch den Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht erlangen. Das Thema Videoüberwachung wird also auch in Zukunft weiter für Diskussion sorgen. Aus rechtlicher Sicht wäre es sinnvoll, in Bezug auf den „nicht öffentlichen Bereich“ konkretere Regelungen zu erlassen, um Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Denn die Videoüberwachung ist – deren rechtmäßiger Einsatz vorausgesetzt – nach wie vor ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die leider immer noch ansteigende Kriminalität.

Dr. Ulrich Dieckert, Partner der überörtlichen Sozietät Roggelin Witt Wurm Dieckert, www.roggelin.de

Rechtslage Videoüberwachung 2009

Fachartikel aus PROTECTOR 5/09, S. 16 bis 17

Zwischen Kontrollieren und Spionieren

Zur Rechtslage bei der Videoüberwachung

Videoüberwachung greift generell in das per Grundgesetz festgelegte allgemeine Persönlichkeitsrecht ein. Nicht selten führt der Einsatz von Videoüberwachungsanlagen in öffentlichen Bereichen zu Protesten von Datenschützern und zu Auseinandersetzungen mit den Behörden. In Unternehmen führen Firmenleitung und Personal- oder Betriebsräte kontroverse Diskussionen, um sich im Konflikt „Videoüberwachung“ zu einigen. Bundesdeutsche Gerichte müssen sich unvermindert mit Unstimmigkeiten und Klagen gegen Videoüberwachungsanlagen auseinander setzen.

Hinweis auf Videoüberwachung

Grundsätzlich muss bei der Planung einer Videoüberwachung geklärt werden: Soll eine Überwachung öffentlich zugänglicher oder nichtöffentlicher Räume vorgenommen werden – unter Umständen beides. Öffentlich zugängliche Räume können von allen Personen zu einem bestimmten Zweck betreten werden. Dazu gehören Einkaufspassagen, Tankstellen, Straßen und Plätze, aber auch Busse und Taxis. Videoaufnahmen, auf denen die Gesichter von Personen zu erkennen sind, gelten als personenbezogene Daten.

Bild: Pixelio/Fionn Große
Videoüberwachung ist oft Anlass für rechtliche Auseinandersetzungen. Es gilt daher, einige grundlegende Regeln bei der Anwendung zu beachten. (Bild: Pixelio/Fionn Große)

Sie unterliegen deshalb den Datenschutzregelungen des Bundes und der Länder. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Videoüberwachung für öffentlich zugängliche Räume generell zulässig (BDSG §6b). Besonders an solchen Stellen, die allgemein als kriminalitätsgefährdet gelten. Dabei handelt es sich um eine sogenannte offene Videoüberwachung, die mit einem deutlichen Hinweis auf eine Kameraanlage zu kennzeichnen ist. Als Hinweisschild kann das Piktogramm nach DIN 33450 dienen. Nichtöffentliche Räume sind solche, die nur von einem festgelegten Personenkreis betreten werden dürfen. Dazu zählen Werksgelände, Büros und Produktionshallen. Unternehmen begründen den Einsatz von Videotechnik gern damit, um ganz allgemein Diebstählen vorbeugen zu wollen. Letztendlich kämen derartige Maßnahmen der Firma und damit allen Mitarbeitern zugute. Jedoch gelten unklare, verwaschene Verdachtsmomente nicht als ausreichende Gründe für die Installation einer Videoüberwachungsanlage.

Nicht grundsätzlich verboten

Das Bundesarbeitsgericht hat für Videoüberwachungsanlagen in Unternehmen eindeutige Vorgaben gemacht. Der Arbeitgeber darf Videoüberwachung einsetzen, wenn er ein berechtigtes Interesse dafür nachweisen kann. In aller Regel heißt das, der Arbeitgeber will sein Eigentum und eventuell das von Dritten schützen. Laut Gesetz muss er die Vorgehensweise mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung abstimmen. Die betroffenen Arbeitnehmer können sich nicht immer auf die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte berufen. In der Betriebsvereinbarung sind unter anderem folgende Festlegungen zu treffen: die zulässige Speicherdauer der Bilder. Laut Arbeitsgericht sind bis zu 60 Tage zulässig. Danach sind die Bilder zu löschen, außer, sie werden zur Beweissicherung benötigt. Weiterhin ist zu regeln, wer Zugriff auf die Bilddaten hat und wie lange die Überwachungsmaßnahme dauern soll.

Geheime Überwachung

Laut Strafprozessordnung (StPO) wird das Bestehen eines dringenden Verdachtes auf arbeits- oder strafrechtliche Verstöße gefordert, um eine verdeckte Videoüberwachung durchführen zu können. Weiterhin ist Bedingung, dass die Feststellung des Täters mit anderen Mitteln keine Erfolgsaussichten hat. Damit sind Mittel gemeint, die das Persönlichkeitsrecht wahren, zum Beispiel eine Befragung. Dass mit der Überwachung auch unbeteiligte Dritte mit erfasst werden können, ist dabei unerheblich. Eine geheime Videoüberwachung ist also nur dann erlaubt, wenn ein Verdacht gegen bestimmte Personen vorliegt und wenn diesem Verdacht ein räumlicher Bereich zugeordnet werden kann. Aufenthalts- und Sozialräume sowie Büros sind von der Videoüberwachung auszunehmen.

Das Bundesarbeitsgericht hat auch eindeutig festgelegt, dass es unzulässig ist, eine dauerhafte Videoüberwachung einzurichten, die der Kontrolle des Verhaltens und der Arbeitsleistung von Mitarbeitern dient. Dass diese Grenzen nicht immer scharf gezogen sind, zeigen Vorfälle aus jüngster Zeit – besonders dann, wenn in Unternehmen Betriebsräte fehlen.

Michael Orth, freier Journalist in Fredenbeck